Österreichische zeitgenössische Malerin

lebt und arbeitet in Niederösterreich  und Wien


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Von der Linie und der Natur –

Gedanken zum Werk von Klaudia Stöckl

 Text: Dr. Elisabeth Voggeneder

 

Wieder duftet der Wald. Es heben die schwebenden Lerchen mit sich den Himmel empor, der unseren Schultern schwer war; (…). Dann wird es still. Sogar der Regen geht leiser über der Steine ruhig dunkelnden Glanz. Alle Geräusche ducken sich ganz in die glänzenden Knospen der Reiser. (Rainer Maria Rilke, Aus einem April)

 


Zart, fein und solitär, kräftig, bewegt und aggressiv, monochrom, still und gestisch; auf weiß modulierten Flächen tänzeln lineare Rhythmen, Linien balancieren im Farbraum, reiben sich an Farbschichten, verdichten sich in satten Schraffuren, oder lösen sich kaum wahrnehmbar in der Leere auf; wenngleich die linearen Formationen Klaudia Stöckls abstrakt erscheinen, so ist doch die Natur der Ausgangspunkt ihrer Arbeit. Von der Beschäftigung mit der Landschaft kommend, entwickelte Klaudia Stöckl eine  malerische Sichtweise, die das Nachempfinden der Natur ins Bildliche transponiert. 

 

Am Anfang ihres Werkes – sie begann 1997 autodidaktisch mit der Malerei und nahm später bei Karl Korab, Giselbert Hoke und Dietmar Brehm Unterricht – ­ stand eine feine Aquarellmalerei, deren Bezüge zum Gesehenen aufrecht blieben, wie bei den Blättern zu den Landschaften rund um Eggenburg. Bald aber übersetzte Kaudia Stöckl den Natureindruck in ein Stimmungsbild von abstrakter Qualität. Sie begann im Jahr 2000 mit abstrahierten Landschaftsinterpretationen. Die Struktur, die Farbe und die Kontur landschaftlicher Impressionen wirken von da an Impuls gebend für ihre Malerei, die dem Wie der Landschaft nachspürt. 

 

Die im Mostviertel lebende Künstlerin schöpft dabei aus ihrer unmittelbaren Umgebung, die hügelig- weiche und weite Landschaft von wechselndem Farbspiel gibt immer wieder Anlass für eine Beobachtung der Natur und ihrer Erscheinungsformen, aber auch zahlreiche Besuche im Wein- und Waldviertel und ihre kontinuierlichen Reisen regen sie zu  einer Auseinandersetzung mit der Natur an. 

 

So entwickelte Klaudia Stöckl in den letzten fünf Jahren einen umfangreichen Werkblock zum Thema Natur und Landschaft im weitesten Sinne –  in Grafik und Malerei ausgeführt ­–  bei dem sie ihre Bildsprache ausformulierte und zusehends differenzierte.  Sie bevorzugt das quadratische mittlere Format, wobei sie gerne auf Papier arbeitet, dass sie abschließend auf Leinwand kaschiert, verwendet reine, körnige Pigmente von intensiver Farbwirkung und reduziert ihre Farbpalette auf wenige Töne: Weiß, Schwarz, Braun, Ocker und Rot. Farbschicht um Farbschicht  werden übereinander gelegt und rufen eine räumliche Farbtiefe hervor, die durch subtile Übergänge und feine Schattierungen besticht. Das bewusste Fließen Lassen der Farben und Ineinander der Farblagen –, das sie aus dem Aquarellmalen beibehält – provoziert eine brüchige Dreidimensionalität von deutlich haptischer Ausprägung. Eruptiv und dynamisch platziert sie darauf Liniengebilde von ausdruckstarker Handschrift gekennzeichnet, kratzt und ritzt kraftvolle Spuren in den Farbkörper ein. 

 

Klaudia Stöckls Vorgehensweise erhält gerade durch die Konzentration auf wenige formale Aspekte eine orchestrale Vielstimmigkeit. Die Reduktion des Kolorits steht im Dialog zur Leuchtkraft der Farbe, die ruhige Bildanlage bildet einen Kontrapunkt zur Bewegtheit der Lineatur. Linie, Form und Raum bilden ein subtiles Gefüge. 

 

Bei der zwischen 2007 und 2009 entstehenden Werkgruppe „Terra Incognita“, die über dreißig Gemälde umfasst, erreicht die Malerin einen Höhepunkt dieses Weges. Der Dreiklang Braun, Ocker und Schwarz fächert sich in einem nuancenreichen Spektrum zu einem sensiblen Farbenspiel auf. Kontrastreich und doch harmonisch stehen Farbblöcke zu Leerflächen, tummeln sich organische Formen und Fragmente in der abstrakten Ebene. Das Dunkel eines schattigen Waldes wird ebenso als Bezugsbild visualisiert, wie der knorrige Ast eines Birnbaumes oder der vertrocknete Rebstock auf den Hügeln. Zentral für diese Arbeiten ist aber die Transformation der Naturempfindung in eine Zustandsbeschreibung. Helle, Stille, Ruhe, Weite und Dunkelheit bilden die auslösenden Erfahrungswerte und wiederholen sich im Erleben der Landschaftsabstraktionen. 

 

Mit dem Gemälde „An einem Fluss“ aus dem Jahr 2010 eröffnet sich Klaudia Stöckl einen weiteren Assoziationsraum. Das Sitzen an einem Fluss, erzählt die Künstlerin, der meditative Aspekt des schweifenden Blickes, habe sie zu einer neuen Werkreihe angeregt, die das Kontemplative deutlicher ins Auge rückt.[1] Die Serie der Meditationsbilder entsteht aus dieser Idee heraus im Sommer 2010. 

 

Anders als bei den landschaftlich inspirierten Werken rückt Klaudia Stöckl nun die Empfindung als Idee noch deutlicher in den Mittelpunkt ihrer Malerei. Kein gesehener Eindruck, sondern eine abstrakte Vorstellung des Seinszustandes verbildlicht sich zur Form. Strich um Strich reiht sich in kontrollierten Serien vertikal aneinander. Die Wiederholung, die hier einem Muster gleich zu einer verwobenen Struktur führt, verweist auf das gedankliche Prinzip der meditativen Praktik. Die Emotion äußert sich nicht als explosiver Akt; übt jetzt vielmehr sensible Zurückhaltung.

 

Interessant erscheint, dass auf diese Weise auch ein weiterer Darstellungsmodus Einzug in die Arbeitsweise der Künstlerin findet. Waren die landschaftlichen Werkserien eher an der gestischen Malerei informeller Prägung orientiert, so gewinnt bei der Reihe der Meditationen die Kontrolle und das Kalkül an Bedeutung. Die Bildsprache erscheint nun minimalistisch und folgt einer objektivierten Vorgehensweise, die das Handschriftliche  weitgehend verringert. Hier schließt sich der Kreis zu den unbetitelten Werken der 2000er Jahre, die das Zeichen als abstrakte Form isolieren und in kachelartigen Übereinander zur abstrakten Zeichensprache verwandeln. 

 

Klaudia Stöckl setzt damit die Linie in unterschiedlichsten Spielarten ein, erschließt  deren divergente Möglichkeiten und Zusammenhänge und bildet einen Spannungsbogen, der von einem subjektiv- tachistischen bis zu einer konkret- konzeptiven Ansatz reicht. Dadurch erreicht sie eine besondere Vielfalt und Dichte des Ausdrucks. 

 

So steht ihr Werk – auch in seiner Auslotung der Stille – ganz in der Tradition expressiver Gestaltung, wie sie in Österreich mit Landschaften eines Egon Schiele begonnen hatte, verweist aber auch auf Max Weilers Werk- Naturrelation, sowie auf postmoderne Positionen lyrischer Naturabstraktion. Das konkrete Erleben wandelt sich wie in Rilkes poetischer  Darstellung zu einem Naturbild des Kontemplativen.

 


[1] Stöckl Klaudia im Gespräch mit der Autorin am 19. April 2011




AUSTRIAN CONTEMPORARY ARTIST

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On Lines and Nature

Thoughts on the work of Klaudia Stöckl

Text: Dr.Elisabeth Voggeneder

 

Once again the forest is full of fragrance. It lifts the soaring larks up into the heavens, which lay so heavy upon our shoulders. (...) Then it is quiet. Even the rain goes more softly over the stones’ peacefully darkening shine. All sounds tuck themselves wholly away under the glistening buds of the bushes. (Rainer Maria Rilke, Out of an April)


Delicate, fine, and solitary. Powerful, moving, and aggressive. Monochrome, silent, and gestural. Lines prance in rhythm upon modulated white surfaces. Lines balance in the spaces of color, rub against the layers of paint, intensifying into rich shadings or dissolving, almost imperceptible now, into emptiness. Although her linear configurations may seem abstract, nature provides the starting point for her work. Emerging from the study of landscapes, Klaudia Stöckl has developed a pictorial technique that translates the world of nature onto the canvas.

Stöckl, an autodidact, began to paint in 1997, later taking lessons from Karl Korab, Giselbert Hoke, and Dietmar Brehm. Her early pieces were fine watercolors with a clear connection to the world as we perceive it, as can be seen in the leaves of the landscapes surrounding the town of Eggenburg. However, Stöckl soon began converting her impressions of the nature around her into abstract mood images, creating abstract landscape interpretations by the year 2000. From then on, the structure, color, and contour of her scenic impressions are the clear driving force behind her paintings, which explore the “how” of the landscape.

Stöckl lives in the Mostviertel region, drawing inspiration from her immediate surroundings – the soft hills and fluctuating play of colors in the broad countryside providing continual motivation to carefully observe the many ways in which nature shows itself. The artist also frequently visits the Weinviertel and Waldviertel regions, her continuous travel stimulating her involvement with nature.

Over the last five years, Klaudia Stöckl has developed an extensive array of pieces focusing on nature and the landscape in a very broad sense – represented through drawings and paintings – that express and formulate her unique visual language as it becomes increasingly differentiated. She prefers a square, medium-sized format, and enjoys working on paper that she then applies to a canvas. Her pigments are pure and granular, with a very intense color effect and a palette reduced to a few shades of white, black, brown, ocher, and red. Layers upon layers of paint are brushed on to produce a spatial depth of color, characterized by subtle transitions and fine shading. The artist consciously allows the colors to flow together and the layers to merge – something carried over from her watercolor paintings – provoking a fragile three-dimensionality with clear tactile expression. Eruptive and dynamic, she sets linear compositions upon this base, her expressive handwriting scraping and scratching powerful tracks into the body of color.

Her concentration upon only a few formal aspects imbues Klaudia Stöckl’s methods with something like an orchestral polyphony. The reduced coloration enters into a dialogue with the luminosity of the paint, while the calm overall layout creates a counterpoint to the liveliness of the expressive line work. Lines, form, and space come together to create a subtle structure.

The artist reaches a high point with the group of works titled Terra Incognita, painted from 2007-09 and encompassing over 30 paintings. The chromatic triad of brown, ocher, and black fans out in a nuance-rich spectrum with a sensitive interplay of colors. Contrasting yet harmonious, blocks of color are set next to empty spaces, while organic forms and fragments romp about in abstraction. The darkness of a shady forest is visualized by one image, as are a gnarled pear tree branch and a grapevine withered on the hills. These works center on transforming impressions of nature into a representation of a state of being. Brightness, quietude, peace, distance, and darkness reflect experiences that are repeated in the viewing of the abstracted landscapes.

With the painting An einem Fluss (On a River; 2010), Stöckl opens up a broader range of association. The artist tells us how, while sitting on a river, the meditative quality of the sweeping view inspired a new series of works, one that puts a much clearer focus on contemplation.[1] A fascinating series of meditative images was born from this idea during the summer of 2010.

Unlike in her landscape-inspired works, Klaudia Stöckl now makes sensation a clearer conceptual focus of her paintings. Not visual impressions, but instead abstract notions of the state of being are now depicted as shapes. Stroke for stroke, these ideas are joined together in controlled, vertical batches. The repetition – creating here an interwoven structural pattern – suggests the mental principles of practicing meditation. Emotion is no longer expressed as an explosive act; it now is exercised with sensitive and careful restraint.

Interestingly, this allows another means of portrayal to find its way into the artist’s work. While the pieces in the landscape series were geared more toward informal gestural painting styles, control and calculation gain importance in the meditational series. The imagery is now quite minimalistic, taking an objectified approach that greatly reduces the handwritten quality. This takes us full circle to the untitled works painted in the 2000s, which isolate symbols into abstraction, superimposing them like tiles and transforming them into an abstract sign language.

Klaudia Stöckl uses lines in many different ways, revealing their divergent possibilities and contexts, and creating an arch reaching from a subjective-Tachist to a concrete-conceptual approach, thus infusing her work with a very special diversity and intensity of expression.

Klaudia Stöckl’s work – even when exploring tranquility – follows the tradition of expressive composition that began in Austria with Egon Schiele’s landscapes, also tying into Max Weiler’s work-nature relationship and post-modern approaches to the lyrical abstraction of nature. Like in Rilke’s poetic depictions, concrete experiences are transformed into contemplative images of nature.


[1] Klaudia Stöckl in conversation with the author on April 19, 2011.

   

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